Am 19. Februar 2022 verstarb Prof. Dr. med. Jürgen Fischer nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren in Landshut. Wir verlieren in ihm einen großartigen Arzt, Mensch und Wissenschaftler, der sich jahrzehntelang für die Etablierung und Weiterentwicklung der Schlafmedizin in Deutschland und Europa mit all seinen Kräften eingesetzt hat.
Geboren in Lilienthal bei Bremen am 11. Juni 1946 hat er als Nordlicht zunächst das Medizin-studium in Lübeck begonnen, dann aber in Ulm und Freiburg fortgesetzt. Es war die attraktive pneumologische Abteilung von Prof. Heinrich Matthys, der von Ulm nach Freiburg wechselte, wo Prof. Fischer neben seiner ärztlichen Tätigkeit seine große Leidenschaft für wissenschaftli-che Themen entwickelte. Sehr früh fiel auch eine spezielle Vorliebe für statistische Zusam-menhänge in dem lebhaften Umfeld von besonders aktiven wissenschaftlichen Assistenten auf, die sich alle der Pneumologie mit verschiedenen Habilitationen widmeten. Auch Prof. Fischers Habilitation befasste sich 1982 mit einem statistisch-epidemiologischen Thema zur Spi-roergometrie.
Frisch habilitiert, wechselte Prof. Fischer 1983 an eine pneumologisch-allergologische Rehabilitationsklinik der Deutschen Rentenversicherung Westfalen auf Norderney, die er als Ärztlicher Direktor bis zu seinem Ruhestand 2011 leitete. Seinen vielseitigen schöpferischen Aktivitäten war es zu verdanken, dass diese Klinik zunächst auf 180 Betten erweitert und danach Schritt für Schritt mit verschiedenen modernen Geräten der Funktionsdiagnostik, hochspezi-alisierten Apparaturen der endokrinologischen und immunologischen Diagnostik und Durch-flusszytometrie sowie mehreren Polysomnographen ausgestattet wurde. Insofern war es nicht verwunderlich, dass auf Norderney Ende der 80er Jahre das erste Schlaflabor in einer Rehaklinik entstand. Kurze Zeit später wurde das Institut für Rehaforschung Norderney ge-gründet, um der Idee der qualitätsgesicherten Forschung in der Rehabilitation eine Basis zu verschaffen.
1996 wurde Prof. Fischer Vorsitzender des NRW-Forschungsverbunds, dessen Motto „Zukunftsstrategien für die Rehabilitation“ seinem persönlichen Lebensziel entsprach. 1997 er-folgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Klinische Rehabilitationswissenschaften der Fakultät für Medizin an der Universität Witten/Herdecke.
Die 90er Jahre waren geprägt von Qualitätssicherung, evidenzbasierter Medizin und Gesundheitsökonomie – auch in der Schlafmedizin. Insofern galt sein Hauptinteresse der Etablierung und Weiterentwicklung von Qualität in der Schlafmedizin. Darüber hinaus verhalf ein von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gefördertes Forschungsprojekt zur Neuentwicklung einer wissenschaftlich abgesicherten Qualitätssicherung von Prozess- und Ergebnisqualität für die gesamte Schlafmedizin. Von 1998 – 2006 war er Vorsitzender der DGSM als Nachfolger von Prof. Peter. In dieser Zeit wurde er nicht müde, die Schlafmedizin zunehmend klinisch zu festigen und die nationalen Aktivitäten auf europäischer Ebene zu erweitern. Hierzu leitete er die Steuerungsgruppe zur Etablierung einer europäisch standardisierten Akkreditierung von Schlaflaboratorien.
Ein reges Kongressmanagement gehörte schließlich auch zu seiner unermüdlichen Schaffens-kraft. Neben zahllosen Fortbildungsveranstaltungen gab es auch Jahreskongresse auf Nor-derney mit weit über 1000 Teilnehmern in der medizinischen Rehabilitationsforschung (1999) und der Schlafmedizin (2000). Dabei trug der letztgenannte Kongress mit dem Motto „Schlaf und Ökonomie“ seine ganz persönliche Handschrift. Beide Großveranstaltungen sind mit ihrer gelösten Atmosphäre unter Beteiligung des bekannten Medizin-Kabarettisten Ludger Strat-mann sicherlich noch heute vielen Teilnehmern in guter Erinnerung.
Die DGSM verdankt Prof. Fischer die weitere, zielstrebige Konsolidierung als klinisch anerkannte, interdisziplinäre Disziplin in Fortführung des Werks von Prof. Peter. Sein besonderes Verdienst liegt in der evidenzbasierten Verbesserung von Struktur- und Prozessqualität ein-schließlich der Outcomes in der Schlafmedizin.
Wir trauern um den Verlust eines wertvollen Freundes, fröhlichen Kollegen und loyalen Vor-gesetzten mit herausragenden Eigenschaften als Mensch, Arzt und Wissenschaftler.
Norderney, d. 11.04.2022 ¨ Priv. Doz. Dr. Friedhart Raschke